Tagebuch der Wanderung ab

       1. April 2009

29. Tag - Ein Fußschonungsprogramm

Ein Stück weit ging es heute mit dem öffentlichen Verkehr, um meinem Fuß etwas Schonung zu gewähren. Ich möchte nicht zu viel riskieren. Was gibt es freund-liche Menschen, ein Autofahrer, den ich nach einer Unterkunft befragte, ließ es sich nicht nehmen, mich ein Stück weit vor ein einfaches und preiswertes Hotel zu fahren. Ich erzählte ihm die Geschichte meiner Wanderung und er freute sich nun, durch sein Tun zu den Mäzenen meiner Tour zu zählen. Er ging nicht, bevor alles mit dem Zimmer klar war.

So stehen heute mehrere Dinge auf dem Programm, die auch hin und wieder sein müssen: Wäsche waschen, rasieren, Glatze pflegen, Berichte schreiben, Wanderschuhe fetten, die morgige Tour vorbereiten, eine Unterkunft telefonisch erfragen und bei Zeit ins Bett gehen. Morgen geht es nach Steinhude 33 km, hoffentlich hält das Wetter.

28. Tag - Bispingen – Soltau - Müden – Celle

Die letzten Tage waren geprägt von gleichen oder ähnlichen Landschaften, gestern und vorgestern von sehr großen Distanzen. So wird das Wandern eintönig, einfach weil man nach sieben, acht Stunden strammen Gehens endlich ankommen will. Ärgerlich ist es, wenn man morgens, bis man endlich auf der markierten Strecke sich befindet, zwei bis drei km geht, mitunter, weil die Unterkunft weg von der Strecke liegt, auch weil man sich nicht genug konzentriert: du läufst und denkt, es wird schon der richtige Weg sein. Am Ende ist man zu Anfang schon drei Kilometer „für die Katz“ gelaufen und hat aber noch dreißig vor sich.

Diese staubigen, sandigen Wanderwege haben den großen Nachteil, dass der Untergrund sehr tief ist, man entsprechend tief einsinkt und bei jedem Schritt diesen Widerstand verspürt. Endlich in Soltau angekommen, die Stadt vor mir, parkähnliches Umfeld. Doch was ist das? Ich sehe riesige, geordnete Beton-klötze, die mich an das Holocaust-Denkmal in Berlin erinnern.

1944 sind hier durch die Gegend Güterzüge, voll geladen mit Häftlingen und jüdischen Mitbürgern durchgekommen und bei einem Halt über 80 Menschen hier in die Wälder geflohen. Die SS, Wehrmacht und Soltauer Bürger, wie eine große, eiserne, rostige Informationstafel aufklärt, haben die Menschen aufgestöbert und es wurden über achtzig davon erschossen und hier im Wald verscharrt. Mustersteelen des Berliner Denkmals erinnern an diese Unglücklichen und bilden ein würdiges Mahnmal des Gedenkens und der Erinnerung, die für immer präsent sein muss, auch und besonders für nachfolgende Generationen.

Nachdenklich zog ich weiter, kam in das Wohngebiet und hatte für diesen Tag erstmalig keine feste Unterkunft, war gespannt wie sich das entwickelt. Gegenüber auf dem Gehweg führte eine Dame ihren Hund Gassi und ich dachte, frage einmal bei ihr nach. „Das ist kein Problem, ich wohne nach der Ampel drei Häuser weiter, habe eine kleine Pension und vermiete Zimmer.“

Was hatte ich ein Glück: ein hübsches Zimmer und Frau Regina verwöhnte mich mit einem köstlichen Frühstück, für eine Mittagspause durfte ich mich auch eindecken und zum Schluss gab es noch einen Apfel als Vitaminspritze. Es war leider nicht Eva´s Apfel… Wie auch schon auf meinem Jakobsweg, bin ich immer wieder dankbar gestimmt, wenn Menschen, die wissen, der Gast kommt hier nur einmal durch, sich so sehr bemühen. Vielen lieben Dank Frau Regina.

Sandige, schwere Wege begleiteten mich den ganzen Tag. Der Himmel bedeckt, fernes Donnergrollen ließ mich Schlechtes ahnen, aber es kam kein Gewitter. Ein zufällig Vorbeikommender klärte mich auf: es ging durch ein ehemaliges Militärgelände, die Schießstände werden noch benutzt, mein Donner waren die Detonationen schwerer Waffen, mit denen wohl geübt wurde. Die Wege wollten nicht enden, stundenlang das Gleiche, doch plötzlich wieder eine Dame mit Hund!

Wieder was ein Glück, vorübergehend war die Strecke nun sehr schlecht markiert und ich in den falschen Weg eingebogen. Sie wies mir den richtigen und in Zukunft werde ich immer nach Damen mit Hund Ausschau halten, sie waren zweimal, kurz hintereinander, mein Glücksbringer.

Tags darauf ging es dann nach Müden, einer kleinen Stadt. den Namen noch nie gehört. Ich fragte mehrfach nach einer Unterkunft aber Preise hatten die. Trotzig ging ich noch ein paar Kilometer weiter in die Jugendherberge und hatte am Ende des Tages mindestens achtunddreißig Kilometer auf dem Buckel und am nächsten Tag Müden – Celle waren wieder zweiunddreißig angesagt, die ich auch hinter mich brachte. Aber hallo, es meldete sich mein rechter Fuß und außerdem: „Der Wolf ist da, der Wolf ist da, aber nicht der mit den sieben Geißlein…“

 

25. April - In der Heide

Gestern war die Strecke Buchholz-Gundeloh angesagt. Der Wechsel von der pulsierenden, prosperierenden Großstadt in die Heide, ist ein so großer Unterschied, wie er größer nicht sein könnte. Man spricht immer von Krise, und wenn man den Verkehr in den Städten und die Geschäftigkeit der Menschen betrachtet, kann man sich nur schwer eine Krise vorstellen. Trotzdem fürchte ich, dass „etwas dran ist“, an dem Gerede.

Mit der Fähre ging es von Blankenese, einem italienisch anmutenden Villen-viertel, über die Elbe und mit jedem Meter, den das Schiff zurücklegte, veränderte sich die Stimmung um dann auf der anderen Seite in einer landwirtschaftlichen Gegend wieder an Land zu gehen. Bei Handeloh, etwa der Hälfte der Strecke, fiel mir auf, ich habe ja kein Brot für die Mittagspause. Was tun? Ich kam gerade an einem Haus am Ortsrand vorbei und eine Dame mähte ihren Rasen. Ich ging auf sie zu: „Gibt es hier eine Möglichkeit etwas zum Essen zu kaufen?“ „Ja, aber da müssen sie wieder in den Ort zurück.“ Ich schaute etwas betreten drein und fragte sie, ob sie mir nicht zwei Stücke Brot verkaufen wolle. Sie stellte ihren Rasenmäher ab, verschwand ins Haus und kam gleich darauf zurück, übereichte mir mit strahlendem Lächeln nicht zwei, vier Scheiben Brot. „Damit sie mir nicht vom Fleische fallen“, Geld wollte sie keines. Mit einem: „Adieu und nochmals lieben Dank“, über den Zaun ging ich von dannen. Die Jause, wie man in Österreich sagt, war gerettet, lactosefreien Käse hatte ich dabei.

Umso mehr ich nach Süden kam änderte sich der Charakter der Landschaft und nach und nach erschienen die typischen Vertreter der Lüneburger Heideland-schaft. Wie Geistergestalten stehen die weit übermannsgroßen Wacholder in der Gegend, als wollten sie alles bewachen. Gerade ausgetriebene Birken, im zartesten Grün, kontrastieren dieses Bild, riesige Erikaflächen sind noch im Winterschlaf und brauchen noch ein wenig um Grün zu werden. Die Wege bestehen aus trockenem, staubigen Sand, spärlich teilweise von zurück-gebliebenen Gräsern bewachsen. Leider sind auf den Wegen häufig Reiter unter-wegs, die mit ihren Pferdehufen den Untergrund aufwühlen, worauf ein Wandern sehr mühsam ist.

Mit Freude konnte ich feststellen, dass die typischen, reedgedeckten Häuser (strohgedeckt) in großer Zahl noch oder wieder vorhanden sind und mit ihren weich geschwungenen, weit nach unten reichenden Dachformen die Gegend mitprägen. In Gundeloh habe ich mir ein Zimmer vorbestellt und die Wirtin ließ es an Nichts mangeln. Heute ging es in dem gleichen landschaftlichen Gepräge weiter aber ich kam an wunderschönen Aussichtpunkten, genannt Wilseder Berge, vorbei, wo man bei gutem Wetter bis Hamburg sehen kann. In der Jugendherberge in Bispingen werde ich die Nacht verbringen, morgen geht es nach Soltau, etwa 20 km, mit drei mal Verlaufen wie gewohnt, macht 23.

Eine Anektode aus meiner Kindheit: Meine Mutter starb sehr früh, der Kleinste war zwei, ich, der Älteste, neun. Tante Anna, die Schwester meines Vaters, hat uns vier Brüder großgezogen, eine von tiefer Liebe geprägte Frau, wir haben ihr unendlich viel zu verdanken.

Erstmalig bin ich heute an einem, in einem in brillanten Gelb, voll blühenden Rapsfeld, vorbeigekommen und diesen herrlichen Duft dauernd in der Nase verspüren dürfen. Der Frühling, was für eine Offenbarung! Am diesem Feldrand, recht breit, wie angelegt, blühte der Löwenzahn über und über, in der gleichen Farbe, ein zauberhaftes Bild, womit ich wieder bei Tante Anna wäre. Sie liebte Blumen, wie alle Frauen und manchmal auch die Männer (Blumen lieben). Tante Anna hat nicht die Männer geliebt sondern die Blumen! Ich pflückte ihr einen großen Strauß von diesen Löwenzahnblüten, ist ja kein großer Aufwand, wenn es so üppig blüht, um ihr den Strauß dann freudestrahlend zu überreichen. Sie lächelte und dann meinte sie, ob ich wisse wie die Blümchen heißen? „Sie heißen Bettschisser“, klärte sie mich auf und ihr Lächeln blieb!

23. April - Adieu Hamburg und ihr 1,7 Millionen Einwohner

Es ist kaum etwas über ein Jahr her, als wir hier den 50. Geburtstag von Hans-Peter in einem uralten, knorrigen Bauernhaus gefeiert haben. Annette und Hans-Peter ließen es sich nicht nehmen, bei dieser Gelegenheit, ihren Gästen ausführlich diese Weltmetropole zu zeigen.Umso mehr man sieht, desto weniger weiß man bei dieser Fülle von Möglichkeiten und umso größer wird das Interesse für diese maritime Welt.

Ich bin hier in einer Jugendherberge, an der Horner Rennbahn, verglichen mit anderen Herbergen nicht billig aber sehr, sehr gut, verglichen mit Hotels oder Privatzimmer, spottbillig (ca. 35.- €).Die Wanderdistanzen des A1 Wanderweges gehen dreimal hintereinander von Osten nach Westen (10+22+32 km, aufgepasst Monsieur D.!) durch Hamburg. So habe ich ein „Fußschonprogramm“ aufgelegt, bin mehr oder weniger die Wandertour ohne Rucksack gegangen und mit einem in der Jugendherberge erstandenen Dreitageticket immer wieder zurück in meine Herberge gekommen.

Trotz meiner Kenntnis von Hamburg habe ich wieder eine Stadtrundfahrt genehmigt, und konnte so alles nochmals Revue passieren lassen, was ich von damals schon kenne. Danke nochmals Annette und Hans-Peter!

Eine überaus charmante Reiseführerin ließ einige Anektoden „vom Stapel“ z.B.: kommt Boris Becker, werden in allen Hotels die Besenkammern abgeschlossen, in einen Sightseeingluftballon dürfen keine Schwiegermütter einsteigen, weil ein Hamburger Gesetz sagt: Drachen dürfen höchstens 50 m hoch aufsteigen. Es gibt in Hamburg 10 000 Millionäre und 10 Milliardäre. Da muss ich wohl etwas falsch gemacht haben. Darunter soll es auch viele „Denkies" geben, heißt: doppeltes Einkommen, keine Kinder. Der Reichtum sei dort so groß, dass die Petersilie mit Fleurop ins Haus geliefert würde. Das freut natürlich einen Floristen a. D. besonders. Wirklichkeit ist allerdings: In Hamburg ist die Scheidungsrate über 70 %, davon im ersten Jahr bereits 60 %, die wieder das Weite suchen.

Ganz neue Erfahrung: nach 23 Tagen, ab 13.45 Uhr, der erste Regen. Die Natur braucht ihn dringend. Meine Lieblingsblume blüht hier bereits: der Flieder, der große Duft des Blumenbinderherzens!
(Hinweise für später: H. Heine, Galerie d. Gegenwart, Loki BBS 75, Helm. Der Weise)

20. April - Tagebuch Mölln-Güster-Witzhave

Dieses Mölln liegt malerisch an einem See gelegen und kein Mensch könnte sich bei diesem friedlichen Anblick vorstellen, was sich vor Jahren hier Schreckliches zugetragen hat. Doch davon später.

Ich war heilfroh endlich in der Jugendherberge angekommen zu sein, sie lag noch deutlich außerhalb und wenn man sozusagen „die Nase voll hat“, ist jeder Schritt beschwerlich, mit Blasen eine Tortour. Ich kam dort an und bemerkte als erstes ein illustres Völkchen, eine Square-Dance-Gruppe aus Hamburg-Wans-beck, die dort das Wochenende tanzend verbringen. Beim Abendessen traf ich die Leute, die in so fern kostümiert waren, dass die Damen teilweise weit ausgestellte Röcke trugen, die Herren etwas in Wildwest-Manier gekleidet waren. Ich fragte mich, ob so ein Tun für mich interessant wäre, kam eindeutig zu dem Ergebnis: sicherlich nicht.

Ich stellte mir dann aber auch vor, wenn hier die Mitglieder meines Chores, der „Liederhalle Mannheim“ sitzen würden, ob ich hiefür jemanden gewinnen könnte: sicherlich nicht. Beide „Leidenschaften“ sind schlicht ausgedrückt antiquiert und finden in der Bevölkerung heute leider kaum Resonanz. Seit vielen Jahren bemühe ich mich immer wieder, den einen oder anderen für unsere Sache zu gewinnen, immer ohne Erfolg.

Gerne hätte ich mir die Gruppe beim Tanzen angeschaut aber ich fiel nur noch ins Bett: Füße hoch. Deren Musik und die Stimme des Callers, wie der das Kommando für die Wahl der Tanzschritte gebende heißt, wiegten mich in den Schlaf. Morgen: morgen geht das mit deinen Füßen wieder gut! Ein prächtiges Lunchpaket versorgte mich den ganzen Tag. Die Strecke nach Güster ist nur 18 km, also ist unbedingt eine kleine Besichtigungstour durch Mölln angesagt.

Der Ortskern schmiegt sich um die auf einem Hügel gebaute Kirche und uralte Häuser ergänzten das traumhafte Ensemble. Das Grab von Till Eulenspiegel galt es zu finden, an der Kirchen mauer hat man ihn begraben. Auf dem Marktplatz eine metallene Figur, die an einigen Stellen völlig blank war, da Besucher genau diese entsprechenden Stellen anfassen müssen, um sich wohl mit Till „im Geiste“ zu vereinen. Fünfzig Meter weiter steht ein mittelalterlicher Pranger, woran man Missetäter am Hals ankettete und der Bevölkerung preis gab. Dieses Mittel wäre vielleicht für den einen oder anderen heute noch zu empfehlen.

Bedrückt stand ich vor dem Haus des Brandanschlages, wo drei Menschen zu Tode kamen, wenn ich richtig bin sogar zwei Kinder. Das Haus ist neu renoviert und über der Eingangstür und den darüber liegenden Fenstern hat man aus verkohltem Holz eine vertikale, schwarze Plastik angebracht die die Dramatik dieser Stunden symbolisiert. Eine Tafel weist auf das Geschehen hin und die Namen der Toten sind vermerkt. Das Haus trägt heute den Namen eines der jungen Opfer. Eine internationale Begegnungsstätte, gleich daneben, behandelt das Geschehen und steht für einen neuen, glaubhaften Anfang in Mölln. Soweit die Namenschilder mir Auskunft gaben, wird das Haus weiterhin von türkischen Mitbürgern bewohnt, was für ein Glück!

Auf nach Güster, nur 19 Kilometer, keine besonderen Vorkommnisse, außer, dass ich mich immer wieder verlief. Gerne erinnerte ich mich neuerdings, nach einigen Fehlversuchen, wieder an meinen Wandervater, Dieter Baum, von dem das erste Wandergebot lautete: Wenn keine Markierung mehr kommt, hast du dich verlaufen. Zurück zur letzten Markierung und neu orientieren bzw. neu suchen!

Sein zweites Gebot heißt übrigen: Wanderer rauchen nicht!

Dem Wanderbuch für den E1 nach zu schließen ist in Güster keine Übernachtungsmöglichkeit und ich war gespannt. Doch gleich am Ortsanfang hing ein Hinweis auf ein Hotel, egal was es kostet: ich brauche ein Bett, ein Zimmer war frei. Lustigerweise liegt dieses Güster wieder am Elbe-Lübeck-Kanal mit dem so schönen Treidelpfad, den ich wohl wegen Ratzeburg und Mölln verlassen habe.

Endlich, nach den mitunter spartanischen Jugendherbergsaufenthalten wieder ein schönes Zimmer mit Dusche, WC usw. und wunderbaren Handtüchern. Das habe ich doch sehr genossen und dachte dabei an Hape Kerkeling („ …ich bin dann mal weg. “), der ja bekannter weise 800 km Jakobsweg gegangen ist, aber für die Nächte die Luxusvariante gewählt hatte, d.h. die Pilgerherbergen ausgelassen hat. Es ist ihm da eine wesentliche Erfahrung abhanden gekommen, denn gerade das mitmenschliche und spirituelle Zusammensein mit Pilgern aus aller Welt, hat etwas ganz Besonderes, das ich niemals missen möchte. Was eine Erfahrung der gemeinsamen Essenszubereitung, dem anschließenden Mahl an langen Tafeln, dem späteren oder vorhergehenden Gottesdienst. Welch große Kraft und tiefe Frömmigkeit durchströmt die Körper, wenn man beim gemeinsamen Vaterunser, sich an den Händen fassend, jeder in seiner Muttersprache, laut dieses großartige Gebet spricht. Ein Sprachengewirr wie bei Turmbau zu Babel... - und danach, für eine Weile, tiefe, andächtige Stille. Manchmal geht man anschließend auf eine Anhöhe und erlebt mit den Pilgern den Sonnenuntergang, es ist unendlicher Friede.

Ich erinnere mich an viele Nächte teilweise in Massenunterkünften wie z.B., nach der Pyrenäenüberquerung in Roncesvalles, wo etwa 150 Pilger. in langen Reihen doppelstöckiger Betten, tief und ermattet schliefen und dabei ein noch nie gehörtes Schnarchkonzert von sich gaben. Hape, zumal du der Sohn einer Floristin bist: du musst noch einmal gehen!

Bald blühen die Rapsfelder!

18. April - Lübeck-Ratzeburg-Mölln

Von überall her bekomme ich Nachrichten: bei uns regnet´s, Hilfe, bei uns regnet´s. Wenn ich das noch alles gut habe, kann ich mich auf etwas gefasst machen. Habe, seit ich unterwegs bin, noch keinen Tropfen abbekommen. Was habe ich die Tage wunderschöne Städte im strahlenden Sonnenschein gesehen: Flensburg, Schleswig, Eckernförde, Kiel, Plön, jetzt Lübeck, alle mit historischen Bauten noch und noch in der typischen, roten, meist gotischen Backstein-bauweise und neue, mutige, architektonische Highlights verströmen mitunter ein mittelalterliches, dann wieder großstädtisches Flair.

 Leider gibt mir die Wanderung nur ganz wenig die Möglichkeit diese Städte näher kennen zulernen. Das ist einerseits schade, andererseits (wir sind hier nicht in Anatevka) habe ich die feste Absicht, vielleicht schon im Spätjahr die Route mit meinem klitzekleinen Wohnwägelchen nachzufahren um meine Eindrücke zu vertiefen.

Gestern habe ich eine Strecke am Lübeck-Elbe-Kanal zurückgelegt, es war ganz ähnlich als ich 2005 den Rheinkanal gegen Süden bis Basel gegangen bin. Es war damals Frühling, jetzt wieder, mir dem bedeutenden Unterschied: damals Regen, Regen, Regen. Fast zwei Stunden ging ich den alten Treidelpfad entlang, beobachtete alles Getier was üppig hier gedeiht. Mehrfach habe ich große, weiße Vögel gesehen, die meist paarweise mit surrendem Flügelgeräusch, mit völlig waagrecht, langgestrecktem Hals, unendlich elegant dahinrauschen. Meine Vogelfreundin Doro wüsste auf Anhieb den Namen. Immer wieder muss ich mich an dem frischen Grün satt sehen, was haben wir diesen Winter lange darauf warten müssen. In Berkenthin war das Ende dieser vorgegebenen Wasse-rstrecke, es ging über den Kanal und eine bemerkenswerte Kirche beanspruchte meine Aufmerksamkeit.

Lübeck-Ratzeburg ist auf der Karte gerade einmal ca.15 Kilometer, aber die Wanderwege machen meist einen sehr großen Umweg durch landschaftlich schönes Gebiet. Um auf diesen Kanal zu stoßen führt der Weg erstmal weit nach Westen, dann am Wasser entlang nach Süden und zum Schluss die Strecke wieder nach Osten macht bis man an Ort und Stelle ist schlappe 32 Kilometer. Fünf Kilometer bis Ratzeburg, was schmerzen mich meine Füße, besonders der rechte. Wenn ich jetzt noch den Restweg zu Fuß gehe, kann ich morgen nicht mehr auftreten. Keine Bahn, kein Bus fuhr wegen der Schulferien, bleibt nur laufen oder Anhalter. Ich ging die stark befahrene Landstraße soweit entlang, bis ich ein Plätzchen fand wo ein Auto gefahrlos anhalten, und einen müden, Fußlahmen aufladen könnte.

Auto um Auto fuhr vorbei, doch plötzlich hielt ein Fahrzeug aus der Gegenrichtung mit zwei jungen Damen: „Wir sind eben an ihnen vorbei gefahren und da wir zu zweit sind, haben wir uns entschlossen nochmals zurückzukommen und den alten Wanderer einzusammeln.“ Was war ich gerührt ob solcher Liebenswürdigkeit, es waren Mädchen, so alt wie meine Schülerinnen von damals, wie alle: bezaubernde Geschöpfe. Unter Protest der Damen ließ ich ein paar Euro für ein tolles Eis im Auto zurück und hoffe Ihr Zwei habt es genossen. Ich gab ihnen auch meine Homepageadresse, vielleicht werden sie das lesen.

Diese Landschaft da oben ist von so viel Wasser umflossen 1000 Seen, wohin man schaut. Ratzeburg, mehr Wasserfläche als Land aber den Ratzeburger Achter habe ich vermisst. Heute, Samstag, geht es nach Mölln, das malerische Städtchen des Eulenspiegels, der hier 1350 an der Pest gestorben ist und auch der Stadt, die vor Jahren das schlimme Brandattentat auf die türkische Familie erleben musste. Die Saat, vgl. mein Bericht von 15.04., ist hier leider aufgegangen.

15.April - Cap Arcona, KZ-Häftlingsflotte

Heute wieder strahlender Sonnenschein, trifft doch 100 % das Sprichwort: „Wenn Bengel reisen…!“ (…keine Angst, der Bengel ist nur noch ein alter Opa.)

Auf dem Weg zum Neustädter-Hafen, meiner Wanderausgangsposition nach Bad Schwartau, kam ich an einem Museum vorbei mit einem Schild: KZ-Häftlings-flotte, 3. Mai 1945-, mit einem Hinweis für eine Gedenkveranstaltung zu eben diesem Datum. Die Zeit wollte ich mir nehmen und ging hinein. An diesem 3. Mai 1945 war die Stadt, in der Endphase des Krieges, voll tausenden von Flüchtlingen aus dem Osten, die teilweise per Schiff, auf dem Landweg, oder sonst wie, hierher gekommen waren. Auch tausende von KZ–Häftlingen kamen zu Fuß aus den nun in Feindeshand liegenden Konzentrationslagern: chaotische, unglaubliche Verhältnisse.

Man belud drei Schiffe, eines davon hieß Cap Arcona, mit diesen Häftlingen aus den östlichen KZs. Es gab ein Befehl des Teufels Himmler, dass keine der KZ-ler lebend zum Feind gelangen dürften. Diese Verbrecher entschieden, dass diese vollgeladenen Schiffe vor der Küste zu ankern seien und dieselben somit der britischen Bomberflotte schutzlos preisgegeben waren. Die sich weigernden Kapitäne wurden, unter Androhung des standrechtlichen Erschießens,  gezwungen, die Schiffe vor der Küste zu ankern.

Die Bomber griffen an, die Besatzungen hatten ja keine Ahnung was sich da unter ihnen abspielte und zerstörten, versenkten teilweise diese Schiffe und es kamen an diesem denkwürdigen Tage weit über 8000 unschuldige Menschen zu Tode. Tags darauf nahmen die Engländer Neustadt ein und man konnte noch 450 Überlebende aus den Wracks retten. Ein unglaubliches, menschenverachtendes Verbrechen, wie so vieles aus dieser Zeit, ich habe noch nie von diesem Fall gehört.

Was ich bis heute nicht verstehen kann, dass große Teile meiner Vätergeneration nach dem Kriege, obwohl man durch die neuen Freiheiten bestens darüber informiert sein konnte, was sich im Dritten Reich wirklich abgespielt hatte, nach wie vor dieser Ideologie verbunden blieben. Viele dieser ewig Gestrigen, waren auch noch stolz darauf, welche Erfolge sie in diesem verbrecherischen Kriege hatten, in Ländern weit von der Heimat, wo es für sie gar nichts zu suchen gab. Wahrscheinlich wäre auch ich ein Nazi geworden, da die Jugend entsprechend indoktriniert wurde. Spätestens aber am Ende dieses Dramas 1945 konnte jeder wissen, was damals alles passierte. Man suchte angeblich „Lebensraum im Osten“ und am Ende mussten viele Millionen mehr Menschen in einem viel kleineren Gebiet leben, wieder aufbauen und bedauernswerte, hier nur selten willkommene Flüchtlinge integrieren. Ich erinnere mich an eine Bürgerversammlung als man dort sang: „Am 30. Mai geht än Flüchtlingstransport, des Pack will nimmer fort, des Pack will nimmer fort… (nach der Melodie des Fastnachtsschlagers: „Am 30. Mai ist der Weltuntergang…“). Was mussten diese Menschen alles an Vorurteilen erdulden. Auch in der Gärtnerei meiner Großeltern arbeiteten diese Menschen und ich erinnere hier an die alte Frau Ratatscheck, sie hatte ein Herz für uns vier Brüder, sie lebte ganz alleine hier fern ihrer Heimat.

Auch jetzt waren viele der Väter nicht bereit, diese Tatsachen zu akzeptieren und gaben ihre verqueren Einstellungen abermals an ihre Nachkommen ab und, kaum zu glauben, fanden sie neue Opfer, bis zum heutigen Tage, wenn man die Naziszene in Deutschland betrachtet. Ich habe eine solche Abscheu vor dieser Bande, der Leser möchte entschuldigen, dass ich das hier einmal loswerden muss. Nun aber genug von diesen traurigen Geschichten.

Nach zwei Drittel meiner Wanderung schmerzte meine alte, nun versorgte Blase und der linke Fuß wollte auch nicht zurückstehen, auch hier tat sich etwas. Ich wollte jetzt einfach nicht mehr weiter und nahm den Bus, fuhr aber weiter als nach Bad Schwartau und landete schließlich in Lübeck in der Jugendherberge. Ich stand an der Aufnahme, aber hallo, da riecht aber jemand gar nicht gut. Ich schaute mich um: sonst keiner da!? Nun ja, die Geschichte vom Stinkebock aus Leon erzähle ich ein andermal.

Da ich nun wegen der ausbleibenden Route Bad Schwartau-Lübeck einen Tag gewonnen habe, bleibe ich hier einen Tag länger, hoffe aber dass ich endlich Ruhe mit meinen Füßen bekomme.

14. April - Eine Blase, nur eine Blase…

Heute, Dienstag nach Ostern, der erste neue Wandertag. Drei Tage habe ich in Plön verbracht, um dieses Blasenmalheur zu überwinden. Heute, gegen Ende der Wanderung waren die Beschwernisse wieder so stark, dass ich mich entschloss, hier in Neustadt eine Fußpflegerin aufzusuchen, die mir dann doch diese Blase versorgte. Ich bin jetzt guter Dinge, dass Morgen wieder alles gut läuft, habe ich doch 33 km, brrrrrr, vor mir: Neustadt-Bad Schwartau.

Ostersamstag war der 11. April, und am gleichen Tag bin ich 2005 von Speyer aus auf den Jakobsweg gegangen der mich bis zum 1. August auf seinem Weg hielt. Bis heute frage ich mich wieso und wer mich auf den Weg geschickt hat? Tagelange Regengüsse machten mir damals das Wandern schwer, doch jetzt: strahlender Frühlingssonnenschein seit Anfang meiner Tour. Umso südlicher ich komme, präsentiert sich die ganze Pracht dieser seit Monaten schlummernden Natur.

Die Jugendherberge in Plön ist wohl eine der sehr vorbildlichen. Die Küchenchefin ließ es sich nicht nehmen, immer für mich etwas Lactosefreies hinzurichten. Überhaupt sind bis jetzt alle Herbergen in einer exponierten, wunderschönen landschaftlichen Lage und ich verstehe nicht, dass sie manchmal sehr knapp besucht sind, wobei man sich doch überall sehr um die Gäste bemüht. In Bad Malente war ich gestern der einzige Gast. Der Herbergsvater, hatte Mitleid mit mir und spendete mir spontan ein Bier.

Ein Rückblick: Ostersonntag war ich in der Messe der ev. Nicolaikirche in Plön und hatte das Glück, dass an diesem Festtag die Bachkantate (BWV 4) mit Chor, Orchester und Solisten aufgeführt worden ist.

Vorher durfte ich Ostereier suchen und ich fand ein Nest mit vielen „Eiergrüßen“ aus dem Gästebuch und den E-Mails meiner Homepage: Frank, Ernst, Birgit, Dieter und Christel, Jochen und Renate, Annette und Hans-Peter, Christiane, Claudia, Christine, Thomas Sanner, Pfarrer Gunter Schmitt und Knolly. Was mich besonders berührte, die Gemeinde einer jungen, „alten Schülerin“, Monika, beteten für mich eine Fürbitte im Familiengottesdienst in Rosenheim.

Alle legten sie mir ein liebevolles Osterei in mein Nest. Vielen lieben Dank!

Eine bemerkenswerte Predigt des Pastors brachte mich ins Grübeln und ich ließ meine Bindungen zur Religion einmal mehr vor meinem geistigen Auge Revue passieren. Dabei stellte ich fest, dass ich in einer mehr oder weniger katholisch geprägten Familie aufgewachsen bin. wo die Frauen schon bigottisch waren und die Männer das Gegenteil lebten. Ich als Junge hatte dabei einen sehr weiten Abstand zur Kirche gefunden.

Besonders der Jakobsweg und seine Erlebnisse, brachte mich wieder sehr nahe an diese grundlegenden Fragen unseres Menschseins. Heute ist der Glaube für mich ein sicherer Hafen und Jesus Christus ist mein „großer Hafenmeister“ in so fern, dass ich immer wieder aus diesem geschützten Hafen hinaus aufs weite Meer segeln kann und der Horizont im übertragenen Sinne die Brücke ins Weltall darstellt. Und hier ist aus meiner Sicht unser menschliches Vorstellungs-vermögen zu Ende, trotz aller Einsteins, die sich etwas weiter als der normal-gebrechliche in diese Materie, ein ganz kleines Bisschen nach vorne vorwagen. Hier bleibt für mich nur der Glaube!

Es ist Sonntag – OsterAbend und ich sitze hier am Fenster in der Herberge, um einen genau so schönen Sonnenuntergang zu erleben und zu fotografieren wie er gestern war. Bis ich gestern den Foto geholt hatte, war alles schon vorüber. Ich erinnere mich an DEN Sonnenuntergang in Finistere, am Ende des Jakob-weges, am Ende der Welt wie man im Mittelalter glaubte. Veronika und ich, wir sind ein Stück weit zusammen den Weg und ein Stück weit danach gegangen, und hunderte von Pilgern saßen in den dortigen Felsen, um diesem grandiosen Naturschauspiel beizuwohnen.

Bis die Sonne untergeht dauert es ja mitunter eine halbe Stunde, aber der letzte Akt vollzieht sich in nur ganz wenigen Minuten, zum Schluss Sekunden und plötzlich ist sie weg. Es ist wie ein mystisches Schauspiel. Alles schaute andächtig in die Richtung, eine festliche Stimmung unter den Pilgern und im Moment des Untergangs applaudieren die Menschen, nicht der Sonne, sondern dem Schöpfer für diesen überwältigenden Vorgang und dann ist nur noch Stille, andächtige Stille…

Heute habe ich leider Pech, es ist diesig und die Sonne verliert ihre Konturen hinter dem blau-grauen Schleier des Horizontes. Kein blutroter Feuerball, wie gestern. Zwei am Wasserrand stehende, wunderschöne Erlen entschädigen mich etwas, noch für vielleicht ein paar Tage, zeigen sie unbelaubt ihren typischen, grundständig –verzweigenden Wuchs, bald sind sie grün.

Heute, Dienstag 14.04. habe ich hier ein schönes Privatzimmer gefunden und eine über und über blühende Magnolie mir ihren großen, porzellanig-lila angehauchten Blüten begrüßte mich neben einer sehr liebenswürdigen Vermieterin.

10. April - Überall Scheiße oder was nun Vegetarier?

Jetzt habe ich doch mit meinen jakobswegbewährten Schuhen eine gehörige Blase gelaufen und werde nun zwangsweise, der Vernunft gehorchend, in der von vielen kleinen und größeren Seen malerisch umspülten Plöner Jugendher-berge ein wenig pausieren. Was ein schönes Fleckchen Erde!

Seit Tagen bestaune ich Ungetüme, die in einer atemberaubenden Wolke von Fäkaliengestank die Straßen entlangbrausen. Hochtechnisierte Fahrzeuge, als Zugfahrzeug ein Riesenbulldog, (vielleicht ein John Deere aus Mannheim) dahinter viele Hektoliter fassende, vierachsige Tankfahrzeuge, die die Errungen-schaften unserer „modernen“, fleischbetonten Ernährungsweise auf Feld und Flur auskübeln. Diese Fahrzeuge sind technisch so perfektioniert, dass am Rückteil, ähnlich wie die Sonnensegel bei Raumfahrzeugen, nach rechts und links Verteilungsvorrichtungen ausgefahren werden können. Über eine Breite von schätzungsweise 25 m, über viele kleine, nach unten hängende Schläuche wird dann die ganze „Pracht“ gleichmäßig verteilt.

Dazu kommt man immer wieder an Großmästereien, besser Tier–KZ genannt, vorbei, die sich noch nicht sichtbar, weit vorher durch ihren Gestank ankündigen. Die „Überbleibsel“ dieser Anlagen kommen auf die Felder, siehe oben. Dieses Duftgemenge begleitet mich seit Tagen und ich frage mich: muss das so sein? Seit vielen Jahren bin ich Vegetarier, der Tiere und der Natur wegen, denn das Produkt des oben Beschriebenen hängt ursächlich mit unseren Ernährungsgewohnheiten zusammen.

Ich will hier niemand bekehren aber vielleicht ein wenig nachdenklich darüber stimmen, ob man nicht den Fleischgenuss, der auch gesundheitlich sehr frag-würdig ist, reduzieren könnte.Es kann nicht gut sein, wenn jahraus, jahrein so mit unserer Natur und den Tieren umgegangen wird, jeder sollte einmal darüber nachdenken.

Was nun Vegetarier?,
steht in der Überschrift und ich habe hier auf meinem Weg ein großes Problem. Ich bin nicht nur Vegetarier, sondern habe auch zusätzlich eine Lactoseunver-träglichkeit, d. h. ich muss auf alle Produkte verzichten, die Kuhmilch beinhalten. Übernachte ich irgendwo gibt es zum Frühstückskaffee: Milch, Butter, Käse, geht alles nicht, mitunter ein Ei, Wurst, Marmelade ist alles was bleibt. So muss ich, will ich den Weg weitergehen, auf meinen überzeugten Vegetarismus für die Zeit meiner Wanderung verzichten. Das ist in unserem Kulturkreis leider nicht anders möglich.
Das steht in direktem Widerspruch zu dem oben geschilderten.

6. April - Im „Gästehaus Hüttener Berge“

Der scheele Gockel
Die Wanderstrecke führte von Schleswig nach Brekendorf, um dann im Gästehaus „Hüttener Berge“ zu übernachten. Abends zuvor hatte ich dort wegen eines Zimmers bereits angerufen und eine liebenswürdige, gut aussehende Dame erwartete mich dort. In einem schönen, geräumigen, gepflegten Zimmer durfte ich mich wohl fühlen.

Später kam ich mit Ihr ins Gespräch, sie hieß Frau Blume, ihr Mann ist Gärtnermeister, ist das nicht lustig für einen Floristen? Ich schätzte sie auf um die vierzig, freimütig meinte sie: „Ich bin über 50.“ Toll dachte ich und das mit einer Figur wie einer Zwanzigjährigen. Nach der „Zeltkatastrophe“ von vor ein paar Tagen, wollte ich den Schlafsack nochmals ausprobieren, habe ich doch auf meinem Jakobsweg monatelang darin geschlafen. Siehe da: nach Anfangsschwierigkeiten schlief ich ein und am anderen Morgen wachte ich gut ausgeschlafen darin wieder auf. Wenn es nachts nicht mehr so kalt ist, wird ein neuer „Zeltversuch“ gestartet.

Einen wundeschönen Frühstückstisch, mit allem was man sich wünscht, hatte Frau Blume für mich gerichtet und ein Hühnerei, so groß wie ein Straußenei, war der kulinarische Höhepunkt dieser frühen Stunde. Die neueste Tagezeitung lag daneben auf meinem Tisch. Die Überschrift: Barak Obama in Prag. Welch ein Glück und welche Chance einen schwarzen Mann als Präsidenten der USA zu haben, der auch ein bisschen mein Präsident ist. Ich habe es mir so sehr gewünscht, dass er es werden kann und ich weiß, dass viele Millionen genau so dachten. Gott segne ihn!

Ich hörte eine Mieze maunzen und einen Hund bellen, zwei wichtige Bewohner, die in den Frühstücksraum wollten aber nicht durften. „Lassen Sie die Zwei doch bitte“, Frau Blume ließ sie gewähren. War schon immer mein Kindheitstraum: ein Hund und eine Katze die sich vertragen. Was schmuste sie, die Kleine so liebe-voll um den Großen, zauberhaft! Sie ging Wäsche wegbringen und ließ mich vertrauensvoll zurück mit dem Hinweis, die Türe bitte sorgfältig zu schließen. Nun ging es an den Rucksack packen, alles hatte ich verstaut, doch, wo ist meine Mütze?

Liegt sie im Frühstücksraum? Nein, ich suchte alles vergeblich ab, rückte alle Stühle auf die Seite, packte meinen Rucksack wieder aus, ging wieder in den Frühstücksraum, nirgends wo war das nicht verzichtbare, gute Stück zu finden.  Frau Blume kam zurück: „ Haben sie meine Mütze gesehen?“, wir suchten beide, denn nur im Bereich meines Zimmers und des Fühstücksraumes konnte sie sein. „Schauen sie doch bitte auch einmal in meinem Zimmer, denn zu Hause sagen sie immer „scheeler Gockel“ zu mir, weil ich manchmal etwas suche, sehe es nicht und es liegt vor meiner Nase.Sie schaute in die Ecke, ein Blick und ich war der Blamierte: siehe da, sie (die Mütze) lag neben dem Stuhl, den ich vor Minuten hochgehoben hatte. Bin doch der scheele Gockel, akzeptiert!

Frau Blümchen verabschiedete mich an der Tür, sie war noch hübscher als gestern. Gratuliere, Herr Blume.Für alle, die in den Norden fahren und auf der A7 im Bereich Schleswig übernachten möchten, ist das Gästehaus „Hüttener Berge“, neben der Abfahrt Brekendorf, eine erste Adresse!

4. April - Flensburg Süd bis Poppholz

Erster Tag mit Sonnenschein und Frühlingsgefühlen. Die Markierungen sind gut bis sehr gut, mit meiner kleinen Karte kann ich mich immer zurecht finden, ich weiß wo ich bin. In Poppholz, etwas abseits meiner Route, soll es ein kleines Restaurant geben, habe Hunger. Hier müssen die Jauchefahrzeuge noch rein. Dort spätnachmittags angekommen, hat geschlossen. Für heute entschied ich mich mein Zelt auszuprobieren.

Den ganzen Tag fuhren Jauchefahrzeuge und „segneten“ überall die Felder, kaum ein Fleckchen blieb frei. Den typischen Geruch, besser Gestank, den ganzen Tag in der Nase, hoffte ich ein unbenetztes Plätzchen zu finden.Nahe eines Hauses, auf einer Wiese, an einem geschützten Ort, schlug ich es auf. Ob ich da mit meinem Rucksack, allen Klamotten, Wanderschuhe usw. hineinpasse? Bin skeptisch!!

Gegen sieben Uhr, es wurde schon langsam kühl, sehr kühl, krabbelte ich hinein und das Dach fiel mir sprichwörtlich auf den Kopf. Es war so eng, dass ich mich nicht drehen konnte. Ein Schlafsack ist ja schon sehr knapp, wenn man dann, der Kälte wegen, noch mit allen Klamotten hineinkriecht wird es noch enger. Kann ich so die Nacht verbringen? Plötzlich Mopedgeknatter, es kommt immer näher! Ich merke es steht vor meinem Zelt! Ich öffne den Reißverschluss und schaue hinaus: ein Moped und darauf ein Landwirt.

„Ich denke, das ist wohl ihr Acker“, der Bauer bejahte und nun: „Kann ich hier bleiben?“ „Selbstverständlich können Sie hier bleiben, aber es soll heute Nacht sehr kalt werden und ich weiß nicht, ob ich Ihnen das empfehlen soll“. „ Ich will es einmal versuchen“, war meine skeptische Antwort. Mit der Frage, ob ich etwas zu essen habe und mir eine guten Nacht wünschend verabschiedete sich nachdenklich der liebenswürdige Mann.

Es war schon bald acht, mir wurde klar: hier kann ich nicht bleiben! Ich schälte mich wieder wie eine Mumie aus meinem Sarkophag, räumte alles zusammen und ging wieder in das nun menschenleere Dorf zurück, um nach einem Taxi zu fragen, der mich 15 km nach Schleswig bringt. Eine freundliche Dame sucht die Nummer, eine viertel Stunde später saß ich im Taxi via Schleswig. Mit meinem Jugendherbergspass in der Tasche, suchte der Taxler die Herberge und welch Wunder, kurz vor neun habe ich dann noch ein wunderschönes „Salonzimmer“ mit Couchgarnitur bekommen und nun war ich fürs Erste gerettet. Die Pizzeria in der Nähe belohnte mich mit einer Köstlichkeit, einem tollen Salat und die erste halbe Bier auf dieser Reise. Wer führte mich dahin?, was Zufälle!

3. April - Kupfermühle bis Flensburg Süd

Fahrt mit dem Bus zur Ausgangposition Kupfermühle, deutsch-dänische Grenze, 1. Wanderzeichen, Weg bis Flensburg-Süd, Übernachtung des praktischerweise wieder in der gleichen Herberge.

2. April - Flensburg

Stadtbesichtigung, Patchworkbilder, Flensburg wunderschöne, sehr sehenswerte Stadt

1. April - Fahrt nach Flensburg

Fahrt mit der Bundesbahn nach Flensburg, Essenpaket in der Bahn liegen-gelassen, beim Nachfragen gleich danach war es weg. Übernachtung in der Jugendherberge Flensburg.

 

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